Der Winterthurer Architekturhistoriker Hans-Peter Bärtschi hat mit seinem Team seit 2001 die Informationsplattform für schützenswerte Industriekulturgüter der Schweiz (ISIS) aufgebaut, die in Form einer Inventar-Datenbank im Internet abrufbar ist (www.industrie-kultur.ch). Die Schweizerische Gesellschaft für Technikgeschichte und Industriekultur und der Schweizer Heimatschutz unterstützten dieses Projekt massgeblich. Auf der Grundlage dieser Arbeit hat Bärtschi einen Reiseführer verfasst, der die Industriekultur im Kanton Bern erschliesst.
Das handliche Buch ist in acht Ausflugsrouten gegliedert, die je einen Kantonsteil umfassen. Sie thematisieren die Eisenverarbeitung im Berner Jura, die Uhrenindustrie in Biel, die Brücken in der Region Bern, Fabriken und Mühlen entlang der Emme sowie die Tourismusinfrastruktur und Wasserkraftwerke im Berner Oberland. Ein Einleitungstext und eine Übersichtskarte geben einen Überblick über die Routen. Ein weiteres Kapitel enthält thematisch gegliedert Einzelobjekte, die über den ganzen Kanton verteilt sind. Die Publikation stellt nicht nur Fabrikbauten vor, sondern auch Mühlen, Kanäle, historische Bahnen, Museen und weitere Bauten, die teilweise bereits vor dem Industriezeitalter errichtet wurden. Die vorgestellten Objekte sind je in rund zehn Zeilen Text und mindestens einem Bild dargestellt. Diese Inventarporträts umfassen Adresse, geografi sche Koordinaten, Daten zur Geschichte und Informationen zur Zugänglichkeit. Die Publikation reiht sich in die Serie von schön gestalteten Wanderbüchern des Rotpunktverlages ein und lädt zum Blättern oder Nachschlagen ein. Die 333 Industriekulturbauten lassen sich sowohl zu Fuss, mit dem Fahrrad als auch mit öffentlichem Verkehr erkunden.
Als Reiseführer vermag die Publikation vollauf zu überzeugen. Das handliche
Format, die Routenvorschläge und die knappen Informationen sind dabei Pluspunkte. Aus wissenschaftlicher Sicht weist das Buch einige Lücken auf. So sind die Kriterien der Objektauswahl teilweise inkonsequent. In der Region Bern sind einerseits sämtliche Brücken aufgeführt, inklusive der mittelalterlichen Neubrücke und Untertorbrücke. Etwas isoliert stehen auch der Bahnhof Ostermundigen und das Gebäude der Lehrwerkstätten an der Lorrainestrasse da. Andererseits fehlen wichtige Industriebauten (Ryff, Wander, Wifag, Zent, Dampfzentrale) und Fabriken in der Matte. Ausserdem sind in der Bibliografi e die Standardwerke, welche den Stand der historischen Forschung zur Industriegeschichte im Kanton Bern wiedergeben, nicht aufgeführt. Trotzdem zeigt der Führer, dass selbst im nicht sehr dicht industrialisierten Kanton Bern zahlreiche spannende Ausflugsziele existieren.
Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Bärtschi, Hans-Peter: Industriekultur im Kanton Bern. Unterwegs zu 333 Zeugen des produktiven Schaffens, Zürich, Rotpunktverlag, 2006. 278 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 68, Nr. 3, Bern 2006, S. 166f.